Wie ich nach Spanien reiste und mit Spanisch wiederkam „Was tue ich hier im Flieger nach Spanien?“, „Ich kann doch gar kein spanisch“, „Das wird sicher eine Katastrophe“. Diese und ähnliche Gedanken sollten mich bis Granada ständig piesacken und hartnäckig mein Vorhaben, mich dort zwei Wochen lang der spanischen Sprache und Kultur auszusetzen, als Irrsinn abtun. Legen wir einmal die Fakten auf den Tisch. Was für Sprachkenntnisse habe ich zu bieten? Zwei Jahre Schulspanisch in der 9. und 10. Klasse plus ein Semester Schulspanisch an einer amerikanischen High School im darauffolgenden Jahr. Gar keine so schlechte Grundlage für zwei Wochen Sprachkurs, würde man meinen. Bis auf den kleinen Makel, dass besagter Unterricht bereits über 10 Jahre zurückliegt. Warum also saß ich im Flugzeug nach Granada? Ich bin von Natur aus ein großer Fan von Sprachen und ich liebe es, mich an ihnen auszuprobieren. Sie fordern mich geradezu heraus. Der Wille, Spanisch wieder aufzugreifen, war in all den Jahren immer da, nur fehlte der Anreiz. Als dieses Jahr mein Sommerurlaub kurzfristig platzte, brauchte ich schnell eine Ersatzreise, die mich ohne Reisebegleitung zwei Wochen lang bespaßen kann und bei der ich auch kulturell voll auf meine Kosten komme. Kurzerhand entschied ich mich für eine Sprachreise in Granada im spanischen Andalusien. Wenige Wochen später war es auch schon soweit. Ich packte meine Koffer mit sommerlicher Kleidung, denn in Granada ist es im September noch ziemlich warm und sonnig, und machte mich auf ins Ungewisse. Meine Erwartungen: Möglichst viel Spanisch sprechen, witzigen Unterricht erleben, Granada und all ihre verborgenen Winkel entdecken und natürlich noch so viel Sommer wie möglich mitnehmen. Mit diesen Hoffnungen im Gepäck stand ich am Sonntagabend des 18. Septembers vor einer Haustür mitten in Granada und wartete darauf, dass meine spanische Gastfamilie mich hereinließ. Gastfamilie deshalb, weil ich der Meinung bin, dass man so am schnellsten in die Sprache eintaucht und den Alltag in Spanien authentisch miterleben kann. Consuelo und Raul, ein junges Paar um die 30, erwarteten mich schon sehnsüchtig. Ich verstand von ihrem Spanisch kaum etwas, da in Granada ein starker Akzent verbreitet ist, der viele Konsonanten verschluckt. Für einen Spanischanfänger ein echtes Problem. Unabhängig davon fühlte ich mich bei den beiden sehr wohl und gut aufgehoben. Jeden Abend saßen wir zusammen und aßen Abendessen, unterhielten uns über den Tag oder sprachen über das Fernsehprogramm, was nebenbei lief. Viel geredet wurde auch in meinem Schulunterricht. Zu meiner Überraschung hatte mich die Schule in Level B1 eingestuft. Auf dieser Ebene ist man u.a. in der Lage, frei über Gefühle, Erfahrungen und Erlebnisse zu sprechen und kurze, zusammenhängende Texte zu schreiben. Ganz ehrlich: Ich dachte am ersten Tag, ich sei falsch. Die anderen konnten viel mehr als ich und wussten so viele Wörter, die ich zwar verstand, aber selber nicht gewusst hätte. Aber ich blieb in meiner Klasse, trotz der Zweifel. Und es sollte die richtige Entscheidung sein. Schon nach wenigen Tagen stellte ich Fortschritte fest und plauderte bei allen Themen munter mit. Natürlich mehr schlecht als recht. Aber schließlich geht es nicht darum, perfekt zu sein, sondern allein darum, sich einzubringen, sich auszuprobieren und seine Scheu vor der Sprache abzubauen. Doch so sehr mir der Unterricht auch Spaß machte, ein bisschen Erholung brauchte der Kopf dann doch ab und zu. Meine ausgedehnte Freizeit verbrachte ich daher oft mit Kaffee trinken - mal alleine bei einem Eis oder zusammen mit anderen Sprachschülern - und ließ mich vom südspanischen Flair um mich herum berauschen oder schrieb alle meine Eindrücke des Tages in mein Reisetagebuch auf. Granada bietet zwar für einen Aufenthalt von zwei Wochen nicht außergewöhnlich viele Sehenswürdigkeiten, es ist aber auch mal sehr angenehm, nicht von Besichtigung zu Besichtigung zu hetzen. Meine persönlichen Highlights waren die vielfältigen Spaziergänge durch das Viertel Albaicín, das mit jeder neuen Gasse den Entdecker in dir weckt, dann der Besuch des ehemaligen Privatanwesens „Carmen de Los Martires“, ein historisches Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert mit herrlicher Gartenanlage, das als öffentlicher Park frei zugänglich ist und vor allem der Besuch der Alhambra, Granadas Herzstück und wertvolles Kulturerbe der UNESCO. Wichtiger Tipp: Kauft das Eintrittsticket so früh wie möglich. Die Kontingente pro Tag sind stark begrenzt und rasend schnell ausverkauft. Vormittage sind besonders beliebt und selbst eine Woche vor dem geplanten Besuch fast nicht mehr zu kriegen. Wie fällt nun am Ende meiner Reise mein Fazit aus? Um diese Frage zu beantworten, möchte ich auf meine Erwartungen vom Anfang zurückkommen. Ich wollte viel Sommer und ich bekam auch viel Sommer. Gratis dazu einen Sonnenbrand. Ich wollte Granada entdecken und das ist mir dank meiner Spazierfreudigkeit auch eindrucksvoll gelungen. Sämtliche Ecken der Stadt habe ich gesehen; sogar die völlig überflüssigen. Ich wollte witzigen Unterricht und bekam engagierte Lehrkräfte vom Fach, die es verstehen, ihren Unterricht humorvoll zu gestalten. Und ich wollte Unmengen an Spanisch sprechen. Das habe ich in erster Linie erreicht, weil ich mit einer spanischen Familie zusammenwohnte und weil ich mich bewusst von den Sprachschülern fernhielt, die außerhalb des Unterrichts nur Englisch miteinander sprachen. Es war manchmal nicht leicht und meine Spanischkenntnisse sind immer noch recht rudimentär, aber die Sprachreise hat mir den Wiedereinstieg ermöglicht und ich durfte mit netten Menschen zwei Wochen in einer schönen Stadt verbringen. Wenn Ihr mich fragt, kann eine Sprachreise nur dann zum Misserfolg werden, wenn der Reisende nicht in der Lage ist, sich ein wenig zu öffnen und sich einzubringen. Der beste Weg, sich eine Sprache anzueignen, ist nicht, ausgefeilte Texte zu Papier zu bringen, sondern die Sprache aktiv zu leben. Und das passiert, indem man sie anwendet. Man mag sich zuerst etwas dumm vorkommen, wenn man vor Jemandem steht und auf Spanisch verzweifelt vor sich hin stammelt, aber jeder Versuch, etwas zu sagen, ist förderlicher als gar nichts zu sagen. Und noch etwas: Ausgelacht hat mich noch niemand. Sprachreisen sind etwas Wunderbares und ich wünsche es jedem, wenigstens einmal im Leben die Erfahrung machen zu können. Habt Spaß, genießt es und fasst euch einfach ein Herz, auch wenn es manchmal schwer ist, sich Sprache, Land und Leute zu nähern. Aber es lohnt sich. Granada freut sich auf jeden Fall auf euch.